Ein Leitfaden zur Philosophie: Ein Blick auf Schlüsselkonzepte und Ideen - 2024
Methode der Rechtsphilosophie
Rechtliches Bewusstsein und Rechtsphilosophie
Formen der wertebezogenen Erschließung des Seins
Jede mehr oder weniger ausgeprägte Konzeption der Rechtsphilosophie der Vergangenheit und Gegenwart stellt eine bestimmte Gesamtheit theoretischen Wissens über das Recht dar (sowohl als Wesen als auch als Erscheinung), welche die wechselseitige Beziehung und Einheit von Gegenstand und Methode des entsprechenden philosophisch-rechtlichen Lehrgebäudes verkörpert.
Die Methode der Rechtsphilosophie als Gesamtheit der erkenntnistheoretischen Mittel und Methoden der philosophisch-rechtlichen Forschung, als der Weg der Erkenntnis, der vom Objekt zum Gegenstand führt, ist ebenfalls eine theoretische Form, eine Theorie im Selbstverstehen, in ihrer Entwicklung, Vertiefung, Erneuerung — nicht jedoch ein rein außertheoretisches (außerphilosophisches) Instrument oder Phänomen, das auf magische Weise Unwissen in Wissen, alltägliche Vorstellungen und Meinungen in wissenschaftliches (theoretisches, philosophisches) Wissen verwandelt.
Die Herausarbeitung des Gegenstandes und der Methode in einer einheitlichen philosophisch-rechtlichen Theorie ist lediglich eine gedankliche Abstraktion, die notwendig ist, um die erkenntnistheoretischen Eigenschaften, Merkmale, den Sinn und die Bedeutung dieser Theorie eingehender und angemessener zu erfassen.
In jeder kohärenten philosophisch-rechtlichen Theorie ist der Gegenstand (das spezifische Wissen über das Objekt) methodologisch durchdacht, und die Methode (die Art, Form der Erkenntnis, des Verstehens und Erklärens des Objekts) ist gegenständlich ausgedrückt. Deshalb besitzt eine solche Theorie methodologischen Wert, hat die Funktion einer Erkenntnismethode und erfüllt diese Rolle entweder direkt oder indirekt (als Bestandteil einer späteren philosophisch-rechtlichen Theorie).
Dabei ist jedoch zu beachten, dass die entsprechenden Methoden philosophisch-rechtlicher Theorien (sowohl der vergangenen als auch der modernen) — einschließlich jener, die als allgemeinphilosophisch oder allgemeinwissenschaftlich anerkannt sind — erkenntnistheoretisch mit den Gegenständen ihrer Theorien verbunden sind und in einem anderen theoretischen Kontext und mit anderem Gegenstandsausdruck in anderen Theorien eine andere erkenntnistheoretische Bedeutung erlangen. So haben etwa verschiedene Anhänger der dialektischen Methode (Heraklit, Hegel, Marx, Marcuse usw.) völlig unterschiedliche Lehren über Recht und Staat. Dasselbe gilt für die Konzepte von Anhängern anderer allgemeinphilosophischer und allgemeinwissenschaftlicher Methoden.
Das Problem liegt darin, dass jede neue philosophisch-rechtliche Lehre (insofern sie erkenntnistheoretische Neuheit besitzt) eine neue Theorie mit einem neuen Gegenstand und einer neuen Methode darstellt. Deshalb haben die Grundsätze früherer Theorien (sowohl in Bezug auf den Gegenstand als auch die Methodologie) im neuen erkenntnistheoretischen Kontext nur dann Bedeutung, wenn sie kreativ im Einklang mit der neuen Theorie (ihrem Gegenstand und ihrer Methode) interpretiert, transformiert, übernommen und im Sinne des Fortschritts der Erkenntnis umgestaltet werden. Die Bewahrung von erkenntnistheoretisch Wertvollem aus anderen (früheren und modernen) Theorien bedeutet nicht dessen Wiederholung, sondern seine Weiterentwicklung und Erneuerung in den angemessenen Formen der neuen erkenntnistheoretischen Situation, im semantischen Kontext der neuen Theorie.
Die libertäre (oder libertär-juristische, juristisch-formale) Methode ist eine begrifflich-rechtliche Methode der Juridisierung der untersuchten Realität als rechtliche Realität, eine Methode der Produktion und Organisation von Wissen über das Recht als Prinzip der formalen Gleichheit und den äußeren Formen seiner Manifestation.
Im methodologischen Sinne ist das Prinzip der formalen Gleichheit eine Methode des formal-logischen Verständnisses des Rechts und der entsprechenden juristischen Formalisierung des Gegenstandsbereichs der rechtlichen Regulierung und des Handelns des Rechts. Die libertäre Methode ist ein universeller Ansatz zur rechtlichen Modellierung der erkennbaren Realität nach dem Prinzip der formalen Gleichheit, ein Weg des Erkennens der Realität aus der Perspektive und innerhalb der Grenzen des gegebenen Begriffs des Rechts, eine Methode des rechtlichen (formalen) Verstehens, Ausdrückens, Messens, Qualifizierens und Bewertens der untersuchten Realität. Diese Methode zeichnet sich durch eine rechtliche Sicht der Welt aus, durch das rechtliche Verständnis der Realität. Auf diese Weise verstandene Realität erscheint als rechtliche Wirksamkeit, das heißt als ein System rechtlicher Eigenschaften und Verhältnisse der erkennbaren Realität.
Diese rechtliche Wirklichkeit verkörpert und drückt die angestrebte Wahrheit und die entdeckte Essenz der Welt der philosophisch-rechtlichen Erkenntnis aus. Und wenn die Pythagoreer aus der Perspektive der Mathematik behaupteten, dass die Essenz der Welt Zahl sei, kann aus der Perspektive der libertären Rechtsphilosophie gesagt werden, dass die Essenz der Welt formale Gleichheit ist. Jeder dabei meint jene Welt, die er erkennt und kennt: der Mathematiker die Welt der Zahlen, der Jurist die Welt des Rechts.
Analogisch suchen Physiker, Chemiker und Biologen jeweils ihre physische, chemische oder biologische Formel für die sie untersuchende physische, chemische oder biologische Welt. So zeigt sich die selektive, gegenstandsspezifisch profilierte Natur des menschlichen Denkens und Wissens.
Die Formel der rechtlichen Welt ist das Prinzip der formalen Gleichheit.
Diese verschiedenen Formeln der unterschiedlichen Welten (verschiedene wissenschaftliche Bilder, wissenschaftliche Weltanschauungen, die von den verschiedenen Wissenschaften erschaffen werden) drücken im Wesentlichen etwas Gemeinsames aus — die allgemeinen Gesetze der untersuchten Welt (des Objekts aller Wissenschaften), d. h. die Regeln der Ordnung dieser Welt und ihrer Ordnung (mathematisch-numerische, rechtliche, physikalische, chemische, biologische usw.).
Die erkenntnistheoretischen Möglichkeiten der libertären Methode sind durch das kreative (heuristische) Potenzial des Begriffs des Rechts selbst vorgegeben und durch seine semantischen Rahmen, die Grenzen seiner theoretischen Bedeutungen und den Bereich des Gegenstands dieser philosophisch-rechtlichen Theorie beschränkt. Es ist gerade dieser Begriff des Rechts, der die juristische Erkennbarkeit, Ausrichtung (Intention) und die Grenzen des entsprechenden philosophisch-rechtlichen Wissens bestimmt.
Quantitative Veränderungen des philosophisch-rechtlichen Wissens (seine Vermehrung, Präzisierung und Konkretisierung, Erhöhung seines Umfangs usw.) erfolgen insgesamt aus der Perspektive und innerhalb der Grenzen des jeweiligen Begriffs des Rechts, der der bestimmten Konzeption der Rechtsphilosophie, ihrer Methode und ihres Gegenstands zugrunde liegt.
Qualitative Veränderungen des philosophisch-rechtlichen Wissens hängen mit dem Übergang vom alten Begriff des Rechts zu einem neuen Begriff des Rechts zusammen, mit der Bildung einer neuen philosophisch-rechtlichen Theorie, die mit einer entsprechenden neuen Methode und einem neuen Gegenstand einhergeht.
Ein neuer Begriff des Rechts bedeutet auch einen entsprechenden neuen Ansatz zum Studium, Verständnis und zur Auslegung der empirischen Objekte der Rechtsphilosophie sowie des bereits angesammelten theoretischen Wissens über sie. Aus der Perspektive der Neologie (der Lehre vom Neuen) lässt sich sagen, dass die Geschichte der Rechtsphilosophie die Geschichte neuer Begriffe des Rechts und der auf deren Grundlage entstehenden neuen philosophisch-rechtlichen Theorien ist. Im theoretisch-erkenntnistheoretischen Sinne ist ein neuer Begriff des Rechts immer (und notwendigerweise) eine stärker formalisiertes (konkreter in seinen formal-definierten Eigenschaften und Merkmalen), logisch kohärenteres und “reineres“ Erfassen und Ausdrücken des gegenständlichen Sinns des Rechts. Durch diese Eigenschaft behält ein solcher neuer Begriff des Rechts (und die entsprechende neue Konzeption der Rechtsphilosophie) die wissenschaftlich relevanten Ergebnisse der vorangegangenen philosophisch-rechtlichen Gedanken und entwickelt sie auf einer neuen, höheren Erkenntnisebene weiter, von tieferen theoretischen Perspektiven und in einem breiteren und adäquateren semantischen Feld und Kontext.