Ein Leitfaden zur Philosophie: Ein Blick auf Schlüsselkonzepte und Ideen - 2024
Das Konzept der Substanz und die grundlegenden Varianten des substantielle Verständnisses des Seins
Das Sein als zentrale Kategorie der Ontologie
Sein und Bewusstsein
Der Mensch hat sich immer wieder mit der Frage beschäftigt, was die Welt ist, ob sie unveränderlich oder einem permanenten Prozess der Entwicklung und Erneuerung unterliegt. Falls sie sich entwickelt, existieren dann objektive Gesetzmäßigkeiten dieses Entwicklungsprozesses, ein allgemeiner Sinn und Ziele? Ein weiteres nicht minder wichtiges Problem, über das die kreative Gedankenwelt des Menschen immer wieder nachsann, lautet: Ist das Weltsein ordnungsgemäß geordnet und ganzheitlich, oder handelt es sich um ein Chaos ohne jegliche strukturelle Organisation? Was liegt dem Weltgeschehen zugrunde: Ist es auf natürliche Weise entstanden oder handelt es sich um einen Akt göttlicher Schöpfung? Ist unsere Welt einzigartig oder gibt es andere, sich nach anderen Gesetzen ordnende Welten? Und schließlich: Existieren ontologische Grundlagen für die menschliche Freiheit und Kreativität, oder sind diese nur eine Illusion unseres Verstandes?
Diese Fragen sind grundsätzlich und betreffen das Verständnis der Welt und des menschlichen Seins als Ganzes; sie sind daher primär Gegenstand der philosophischen Analyse. Natürlich entwickelt auch jede Wissenschaft eigene Vorstellungen von der Welt, doch aufgrund der thematischen Begrenzung ihres Forschungsbereichs formen diese Vorstellungen lediglich ein partielles, lokales Weltbild. In einem solchen Weltbild erscheint die Welt als geordnet und zweckmäßig, sie unterliegt allgemeinen Gesetzen, die von der jeweiligen Wissenschaft erforscht werden. Die Gesamtheit der wissenschaftlichen Vorstellungen über die Welt ermöglicht die Entwicklung eines allgemeinen wissenschaftlichen Weltbildes, das eine Art “wissenschaftliche Naturphilosophie“ bildet. Doch dieses allgemeine wissenschaftliche Weltbild bleibt immer unvollständig. Der Grundsatz seiner Konstruktion ist, alle Phänomene mit natürlichen Ursachen innerhalb neuer thematischer Bereiche und theoretischer Ansätze zu erklären. Was theoretisch nicht erklärbar oder nicht in diesen thematischen Bereich fällt, wird einfach aus der wissenschaftlichen Betrachtung ausgeschlossen. Zudem ändern sich wissenschaftliche Ansichten und allgemeine wissenschaftliche Ansätze ständig. Manchmal verändern diese Änderungen das allgemeine wissenschaftliche Weltbild so schnell, dass es selbst innerhalb eines einzigen Generationenlebens vollkommen neu konstruiert werden muss. Ein allgemeines Welt- und Menschenbild nur auf der Grundlage wissenschaftlicher Daten zu konstruieren, erscheint zumindest fraglich. Dies kann nur auf bestimmten grundlegenden Grundlagen geschehen, die in entsprechenden philosophischen Kategorien fixiert sind.
So weit die ontologische Gedankenwelt auch seit Parmenides fortgeschritten ist, sie muss ihre Überlegungen immer von der Kategorie des Seins ausgehend beginnen, um darauf ein System anderer ontologischer Begriffe und Kategorien zu entfalten, wie “Materie“, “Bewegung“, “Entwicklung“, “Raum und Zeit“, “Ursache und Wirkung“, “Element“, “Ding“, “Freiheit“ und so weiter.
Ein zentrales Problem der Ontologie ist das Herausstellen eines substratartigen Elements unter den möglichen Arten des Weltseins, was in der Philosophie mit der Begründung der Kategorie “Substanz“ verbunden ist.
Das Problem der Substanz entsteht, wenn der menschliche Verstand hinter der Vielfalt der Dinge und Ereignisse der Welt nach einer unveränderlichen und stabilen Einheit sucht, eine tieferliegende Art des Seins zu erkennen, die die Ursache aller anderen Arten des Seins ist und selbst keine andere Ursache für ihr Dasein hat als sich selbst.
Wie bereits angemerkt, nimmt das Problem der Substanz eine besondere Stellung in der Philosophie von Aristoteles ein. Bei ihm werden erstmals alle drei wesentlichen Aspekte der Kategorie der Substanz behandelt.
Historisch betrachtet, wird Substanz zunächst mit dem Substrat, dem stofflichen Anfang, mit dem alles besteht, gleichgesetzt. Solche ersten “physischen“ Ursprünge finden sich in der milesischen Schule: Wasser, Luft, Feuer. In der nachfolgenden griechischen Tradition wird Substanz als Träger der Ideen und als Anfang, der formbar ist, mit der qualitätslosen Materie verbunden. Dieses Verständnis von Substanz, auch ohne den eigentlichen Begriff, lässt sich bereits bei Platon (die Idee der materienbewahrenden Substanz) und bei Aristoteles (erste Materie) finden. Am konsequentesten wird die Idee der Substanz als materielles Substrat in der antiken Philosophie in den Lehren von Demokrit und Epikur dargestellt.
Die zweite Interpretation der Substanzkategorie bezieht sich auf ihre Auslegung als aktive, geistige Ursubstanz, die die Ursache ihres eigenen Daseins in sich selbst trägt. Hier ist die Substanz nicht ein passives Objekt der Einwirkung und nicht das Substrat, aus dem alle Dinge bestehen, sondern ein bewusstes und willensstarkes Prinzip, ein Subjekt der Handlung. Dieses Verständnis lässt sich in der Betrachtung der Seele bei Platon und Aristoteles finden, trotz ihrer bekannten Differenzen in den Ansichten. Später wird dieses Konzept von Substanz weit verbreitet in der mittelalterlichen Scholastik und in der Monadologie von Leibniz, und es taucht auch (in verschiedenen Varianten) bei Fichte und Schelling, W. S. Solowjow und N. O. Losskij sowie im französischen Personalismus auf.
Schließlich lässt sich eine dritte, weitgehend integrale Bedeutung des betrachteten Begriffs hervorheben. Substanz ist die hervorbringende, unveränderliche Grundlage der gesamten konkreten Vielfalt ihrer Modifikationen (Zustände) und die Bedingung für die Wechselwirkung (Interaktion) dieser letzten. Hier erweist sich die Substanz gleichermaßen als Substrat und als tätiges Prinzip; als Objekt, das erleidet, und als Subjekt, das wirkt. Sie ist die Ursache aller Dinge und zugleich ihre eigene Ursache. Diese Interpretation der Kategorie “Substanz“ ist vor allem das Erbe der neuzeitlichen pantheistischen Systeme, obwohl ihre Keime bereits bei Anaximander mit seinem Apeiron und teilweise bei den Stoikern mit ihrer Pneuma erkennbar sind. Am konsequentesten erscheint diese Auffassung in der Philosophie von Baruch de Spinoza. “Unter Substanz verstehe ich,“ schrieb er, “das, was in sich selbst existiert und sich durch sich selbst begreift, das heißt, dessen Vorstellung keine Vorstellung von einer anderen Sache bedarf, aus der es hätte hervorgehen müssen.“
Der Gegensatz von Geist und Materie als zwei verschiedene Substanzen führt zu Konzepten, die entweder idealistisch oder materialistisch geprägt sind.
Materialistische Konzepte sind vielfältig und beruhen letztlich auf der Reduktion der gesamten Vielfalt der Welt auf Materie, die entweder:
a) als konkret-sinnliches Substrat erscheint (der frühe Materialismus der Mileter Schule);
b) als materiell gegebene, nicht sinnlich erfahrbare, homogene, diskrete und weiter nicht teilbare Entitäten (antiker Atomismus und der Atomismus der Neuzeit, Theorie der Elementarteilchen, Quarks usw.);
c) als unendlich teilbares, kontinuierliches Prinzip, wie etwa in der platonischen Materie als Nährboden, die im Wesentlichen mit dem Raum des Kosmos zusammenfällt, oder in Descartes’ mechanischem Raum, oder in der gekrümmten Raum-Zeit der Allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein, oder in anderen fundamentalen physikalischen Theorien;
d) als besondere Auslegung von Materie, wie sie in der marxistischen Philosophie vertreten wird. Hier wird sie weniger als Substanz im eigentlichen Sinne verstanden, sondern als “objektive Realität, die durch unsere Sinne abgebildet, fotografiert oder reflektiert wird.“ Diese objektive Realität umfasst alles, von den Gebilden der Mikrowelt bis hin zu den Prozessen der Makrowelt. Auf der Grundlage dieser wahrhaft universellen Interpretation der Materie wurde eine tiefgehende philosophische Konzeption entwickelt, die den Anspruch erhebt, die Welt umfassend zu erklären.
Ein gemeinsames Manko des materialistischen Ansatzes, das ihm nicht zu überwinden gelang, ist die Schwierigkeit, das Entstehen von Leben und Bewusstsein aus toter, bewussloser Materie zu erklären. In der Tat zeigt jedoch eine sorgfältige Untersuchung des dialektischen Materialismus, dass auch in diesem System das zweite, ideale Prinzip des Seins oft anerkannt wurde. Wie bekannt ist, postulierte W. I. Lenin im Fundament der Materie deren Eigenschaft als Reflexion, die den menschlichen Empfindungen ähnelt.
Unter den idealistischen Konstruktionen lässt sich die sogenannte objektiv-idealistischen Auslegung der Urprinzipien des Seins hervorheben. Hier kann die tätige und schöpferische Substanz des Universums die absolute Idee (Hegel), der Weltgeist (Anaxagoras, Stoiker), die Weltseele (gnostische Ontologien), der Weltenwille (Schopenhauer), das Unbewusste (E. Hartmann) und so weiter sein. In theistischen Versionen des objektiven Idealismus wird das göttliche Absolute als Anfang und Ende der Welt anerkannt.
Anhänger der objektiv-idealistischen Lehren gelingt es, metaphysische Modelle des Seins zu erschaffen, in denen alles aus einem einzigen Prinzip oder einem System von Prinzipien abgeleitet wird. Ein herausragendes Beispiel dafür ist das hegelianische Selbstentfaltung der absoluten Idee, die sich in verschiedenen konkreten realen Manifestationen verwirklicht. Es handelt sich gewöhnlich um philosophische Systeme, die buchstäblich alles umfassen, was der menschliche Verstand sich vorstellen kann. In diesem Charakter des philosophischen Ansatzes liegt das Besondere, da er die Wirklichkeit als Teil eines rational aufgebauten Systems betrachtet.
Im subjektiven Idealismus wird der Begriff der Substanz als aktives Prinzip des Seins aus individualistischen Perspektiven interpretiert und nimmt die Form des Solipsismus an. Am offensten und konsequentesten vertrat George Berkeley die Ideen des subjektiven Idealismus. Die Essenz seines Denkens lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
Da wir in dieser Welt nur mit Sicherheit über das sprechen können, was durch unsere Sinne und unser Bewusstsein erlebt wird, und es keine Garantie dafür gibt, dass etwas außerhalb des Bewusstseins existiert, so bedeutet “sein“ nur “wahrgenommen werden“. Ein Gegenstand existiert so lange, wie wir ihn wahrnehmen. Mit Sicherheit existieren nur die verschiedenen Ideen unserer inneren Welt. In Übereinstimmung damit ist es absurd, komplexe metaphysische Systeme unter Verwendung von Begriffen wie Geist oder Materie zu konstruieren, da diese nicht direkt wahrgenommen werden können. Hier wird das menschliche individuelle “Ich“ tatsächlich zur einzigen schöpferischen Substanz des Universums, die quasi auf die Größe des gesamten Kosmos ausgeweitet wird.