Ein Leitfaden zur Philosophie: Ein Blick auf Schlüsselkonzepte und Ideen - 2024
Die Fragestellung des Bewusstseins in der Philosophie
Bewusstsein
Sein und Bewusstsein
Die Problematik des Bewusstseins hat die Philosophen stets in besonderem Maße beschäftigt, da die Bestimmung des Ortes und der Rolle des Menschen in der Welt sowie die Spezifik seiner Beziehungen zur äußeren Wirklichkeit eine Klärung der Natur des menschlichen Bewusstseins erfordert. Dies geschieht durch die Analyse des Bewusstseins als einer spezifisch menschlichen Form der Regulierung und Steuerung des menschlichen Interaktionsprozesses mit der Realität. Diese Form zeichnet sich vor allem durch die Herausstellung des Menschen als eine besondere Realität aus, als Träger spezifischer Weisen der Interaktion mit der umgebenden Welt, einschließlich der Kontrolle über sie.
Ein solches Verständnis der Natur des Bewusstseins impliziert ein sehr breites Spektrum an Fragen, das nicht nur der Philosophie, sondern auch den spezialisierten geistes- und naturwissenschaftlichen Disziplinen wie Soziologie, Psychologie, Linguistik, Pädagogik, der Physiologie höheren Nerventätigkeit und heutzutage auch der Semiotik, Kybernetik und Informatik als Forschungsgegenstand dient. Die Betrachtung einzelner Aspekte des Bewusstseins im Rahmen dieser Disziplinen stützt sich stets auf eine bestimmte philosophisch-weltanschauliche Position zur Interpretation des Bewusstseins. Andererseits fördert die Entwicklung spezieller wissenschaftlicher Forschungen die Weiterentwicklung und Vertiefung der eigentlichen philosophischen Problematik des Bewusstseins. So hat beispielsweise die Entwicklung der modernen Informatik, die Schaffung “denkender“ Maschinen und die damit verbundene Computerisierung menschlicher Tätigkeiten eine neue Betrachtung der Essenz des Bewusstseins angestoßen, insbesondere im Hinblick auf die spezifischen menschlichen Möglichkeiten des Bewusstseins, der Interaktion zwischen Mensch und Bewusstsein mit moderner Computertechnik. Scharfe und aktuelle Fragen der modernen gesellschaftlichen Entwicklung, der Wechselwirkungen zwischen Mensch und Technik, der Beziehung von wissenschaftlich-technologischem Fortschritt zur Natur sowie Fragen der Erziehung und der Kommunikation zwischen Menschen und so weiter — kurz gesagt, alle Probleme der modernen gesellschaftlichen Praxis sind organisch mit der Erforschung des Bewusstseins verbunden.
Ein zentraler philosophischer Fragenkomplex ist stets die Beziehung des menschlichen Bewusstseins zu seinem Dasein, das Einbezogensein des Menschen, der über Bewusstsein verfügt, in die Welt, die Möglichkeiten, die das Bewusstsein dem Menschen eröffnet, sowie die Verantwortung, die das Bewusstsein dem Menschen auferlegt. Das Dasein des Menschen in der Welt ist immer mit Bewusstsein verbunden, “durchzogen“ von ihm. Es existiert kein menschliches Dasein ohne Bewusstsein, unabhängig von seinen jeweiligen Formen. Anders verhält es sich jedoch, wenn wir das reale Dasein des Menschen und seine Beziehungen zur umgebenden sozialen und natürlichen Wirklichkeit als ein umfassenderes System betrachten, in dessen Rahmen das Bewusstsein eine spezifische Bedingung, ein Mittel, eine Voraussetzung, ein “Mechanismus“ für die Eingliederung des Menschen in dieses ganzheitliche System des Daseins darstellt. Folglich, wenn wir vom menschlichen Dasein als einem Ganzen ausgehen, dann stellt das Bewusstsein in seiner Sekundärheit gegenüber dem menschlichen Dasein die Sekundärheit eines Elements im Verhältnis zu dem es umfassenden und in sich einschließenden System dar. In diesem Sinne überschreitet das Dasein des Menschen stets die Grenzen des Bewusstseins als idealen Plan oder Handlungsvorgabe und ist inhaltlich reicher als die Ausgangsvorstellungen des Bewusstseins. Gleichzeitig wird diese Erweiterung des “Horizonts des Daseins“ in der Tätigkeit vollzogen, die vom Bewusstsein angestoßen und gelenkt wird.
Wenn wir von der organischen Einbindung des Menschen in die Ganzheit der unbelebten und belebten Natur ausgehen, dann erscheint das Bewusstsein als Eigenschaft hochorganisierter Materie. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, die genetischen Ursprünge des Bewusstseins in denjenigen Formen der Organisation der Materie nachzuvollziehen, die dem Menschen im Prozess seiner Evolution vorangehen. Eine wesentliche Voraussetzung für einen solchen Ansatz ist die Analyse der Beziehungstypen von Lebewesen zu ihrer Umwelt, innerhalb derer entsprechende Verhaltensregulatoren als ihre “dienenden Mechanismen“ entstehen. Die Entwicklung dieser Regulatoren setzt die Bildung körperlicher Organe voraus, durch welche die Prozesse der Psyche und des Bewusstseins ermöglicht werden. Hierbei handelt es sich um das Nervensystem und dessen hochorganisierten Teil — das Gehirn. Der bestimmende Faktor bei der Entwicklung dieser Körperorgane ist jedoch die reale Lebensfunktion, auf die diese Organe ausgerichtet sind. Der Mensch erkennt durch das Gehirn, aber das Bewusstsein ist nicht die Funktion des Gehirns an sich, sondern die Funktion einer bestimmten, spezifischen Form der Beziehung des gesellschaftlich entwickelten Menschen zur Welt.
Wenn wir diese Voraussetzung berücksichtigen, ist das Bewusstsein von Anfang an ein gesellschaftliches Produkt. Es entsteht und entwickelt sich in der gemeinsamen Tätigkeit der Menschen, in ihrem Arbeits- und Kommunikationsprozess. Indem sie in diese Prozesse eingebunden sind, entwickeln die Menschen entsprechende Vorstellungen, Einstellungen und Normen, die zusammen mit ihrer emotionalen Färbung den Inhalt des Bewusstseins als spezifische Form der Reflexion ausmachen. Dieser Inhalt verfestigt sich in ihrer individuellen Psyche.
Im weiteren Sinne sollte mit dem Bewusstsein natürlich auch das Konzept des Selbstbewusstseins verbunden werden. Die Entwicklung komplexer Formen des Selbstbewusstseins tritt in relativ späten Phasen der Geschichte des menschlichen Bewusstseins auf, wobei das Selbstbewusstsein eine gewisse Eigenständigkeit erlangt. Doch sein Ursprung lässt sich nur durch die Betrachtung des Wesens des Bewusstseins insgesamt verstehen.
Das Bewusstsein erscheint demnach als das Schlüssel- und Ausgangskonzept der Philosophie, das für die Analyse aller Formen der Manifestation des geistigen und seelischen Lebens des Menschen in seiner Einheit und Ganzheit sowie der Methoden der Kontrolle und Regulierung seiner Beziehungen zur Wirklichkeit und der Steuerung dieser Beziehungen dient.